Karrierebremse Bachelor
Kann man mit dem "kleinen" Hochschulabschluss in den Job starten? Das Abendblatt fragte nach.
Birte Schmidt
Schneller, effektiver und dazu noch praxisnah: Das zweistufige Studiensystem aus Bachelor und Master gilt bei
Befürwortern als ideales Modell, um Akademikern einen frühen Start in das Berufsleben zu ermöglichen. In der
Wirtschaft allerdings wächst die Akzeptanz für den ersten berufsqualifizierenden Abschluss nur langsam. Welche
Jobchancen bietet ein Bachelorabschluss?
"Bachelor welcome" – unter diesem Motto werben Personalvorstände
führender Unternehmen seit 2004 für die gestuften, international kompatiblen Studiengänge. Doch auch zehn
Jahre nach dem Bologna-Prozess (s. Kasten) kämpft der kleine Bruder des Masters weiter um Ansehen. Grund dafür
sind die weit verbreiteten Zweifel vieler Studenten, die eine zu geringe Wertschätzung ihres Abschlusses vor allem in
mittelständischen Unternehmen befürchten. Und vorsorglich weiter studieren.
Laut der Umfrage "Master 2009", bei
der die Firma SWOP.Medien und Konferenzen zusammen mit dem ZEIT-Verlag 4000 Studenten über ihre Karrierepläne und
Bildungswege befragte, streben die meisten Akademiker nach ihrem Bachelor eine weitere akademische Qualifikation an:
Demnach können sich 89 Prozent aller derzeit Studierenden den Erwerb eines Masters vorstellen, 45 Prozent haben sich
bereits dafür entschieden. Zu den am häufigsten genannten Gründen gehörten die Hoffnung auf eine
weitere fachliche Spezialisierung (51 Prozent) und die verbesserten Berufs- und Einkommenschancen (34 Prozent).
"Mit dem Bachelor allein hat man da nur wenige Perspektiven", meint Lion Doux. Der 23-jährige Bremer studiert im siebten
Semester an der Uni Hamburg und macht gerade seinen Master in Mathematik. Doch nicht nur das: Parallel arbeitet er auch
noch auf sein Diplom in Physik hin. "Ein Spagat", wie er findet, "vor allem durch die vielen Prüfungen, die ich durch
die neue Studienordnung bestehen muss."
Gegen einen direkten Start ins Berufsleben nach dem Bachelor hat sich Doux trotz
Empfehlung seiner Professoren entschieden. "Ich war mir einfach nicht sicher, ob meine Qualifikation reicht", sagt er. Denn
in vielen Firmen konkurrieren Bachelor- und Masterabsolventen um dieselben Stellen. Darum schließt Doux jetzt nicht
nur einen Master an, sondern plagt sich auch noch mit der Doppelbelastung durch das Physik-Diplom. So, hofft er,
könne er seine Berufschancen verbessern.
Dirk Möller, Unternehmens- und Jobberater aus Hamburg, kennt die Zweifel
von Studenten. Er berät Absolventen bei Entscheidungen rund um die Berufswahl. Dabei plädiert der Coach für
höchstmögliche Qualifikation: "Wer sich vorstellen kann, einen zweijährigen Master anzuschließen, dem
rate ich grundsätzlich auch dazu. Danach kann man sich einfach auf mehr Stellen bewerben und auf das Gehalt wirkt
sich die Spezialisierung auch positiv aus." Aber: Ebenso wie für den Bachelor gelten auch für die meisten
Masterplätze Zulassungsbeschränkungen. Wie viele Masterplätze es gibt und welche Zulassungshürden es
für die Studenten zu überwinden gilt, regelt jede Uni eigenständig, meist ist die Bachelor-Note
ausschlaggebend.
Direkt in den Beruf einzusteigen kommt auch für Anton Traub nicht infrage. Der 29-Jährige
studiert im sechsten Semester Sozialökonomie in Hamburg und ist überzeugt: "Der Bachelor allein reicht einfach
nicht aus, um eine Entscheidung zu treffen, in welchem Bereich man später tätig sein möchte." Um sich zu
spezialisieren, will er im kommenden Semester sein Masterstudium in "Human Ressource Management" aufnehmen. Vorausgesetzt,
er bekommt einen Platz. Laut Angaben des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) der Uni Hamburg haben derzeit rein
rechnerisch lediglich 37,5 Prozent der Bachelor-Absolventen eine Chance auf einen Masterplatz.
Doch warum haben Bachelor so
schlechte Chancen? Eine deutliche Meinung vertritt die Personalentwicklerin eines Hamburger Mittelständlers. Sie
möchte namentlich nicht genannt werden. Ihre Begründung: Bachelor-Absolventen verfügten über wenig
Praxis, keine Auslandserfahrung und mangelnde persönliche Tiefe. Ein Trainee-Programm für Bachelor-Studenten
biete das Unternehmen bisher nicht an, "denn ich glaube nicht, dass wir einem 23-Jährigen einen Gefallen täten,
wenn wir ihn danach in eine Führungsposition setzen, in der er die Arbeit von 45-Jährigen beurteilen
müsste", meint sie. Und fügt hinzu, dass sie Bachelor-Studenten jedoch nicht grundsätzlich ablehne. "Lieber
stelle ich einen Bachelor ein, der für sein Studium acht Semester gebraucht hat, dafür aber schon gearbeitet hat
und im Ausland war, als einen Diplom-Absolventen, der sein Studium in Rekordzeit bewältigt hat."
Viele Bachelor-Absolventen aber gönnen sich diese Zusatzqualifikationen nicht, denn oft sorgt der finanzielle Druck des
Bafög-Amts für einen baldigen Abschluss. Dafür, sich durch Praktika, Nebenjob und Auslandsaufenthalt
persönlichkeitsbildende Soft Skills anzueignen, fehle vielen Studenten beim Wettlauf zum Bachelorabschluss die Zeit,
meint Coach Dirk Möller.
Was besser sei – Bachelor oder Master – lasse sich so allgemein gar nicht
beantworten, sagt Christina Flügel, Leiterin der Personalbetreuung bei der Deutschen Bank. "Ob eine junge Frau oder
ein junger Mann noch ein Masterstudium draufsatteln möchte, hängt von den individuellen Zielen und der
persönlichen Karriereplanung ab." Wer in die Entwicklung und Forschung will, der braucht mindestens den Master,
besser noch die Promotion. Wer aber beispielsweise kaufmännisch im Marketing tätig sein möchte, für
den kann der Bachelor ausreichen. Als eine der ersten Branchen hat das Marketing den Bachelor weitestgehend anerkannt. Ein
Patentrezept für den Erfolg aber gibt es nicht, sondern nur die Hoffnung, dass das Ansehen des ersten
berufsqualifizierenden Abschlusses weiter steigt.
BOLOGNA: 76 PROZENT DER STUDIENGÄNGE SIND UMGESTELLT
Im Jahr 1999 unterschrieben die Hochschulminister von zunächst 29 Staaten die "Bologna-Erklärung". Ihr Ziel: bis
2010 ein einheitliches Europäisches Hochschulwesen zu schaffen. Heute haben 46 Staaten unterzeichnet. Wichtige
Punkte: die Mobilität der Studenten erhöhen, Studienleistungen national und international anerkennen und die
Qualität der Lehre erhöhen.
Im Unterschied zu den Abschlüssen Magister, Diplom und Staatsexamen, bei denen
sich die Abschlussnote aus Examensprüfungen und einer mehrmonatigen Arbeit zusammensetzt, bekommen Bachelor- und
Master-Studenten für jedes bestandene Seminar "Credit Points", die international gültig sind und den Wechsel
zwischen Hochschulen im In- und Ausland erleichtern sollen.
Auch die Studienzeit bis zum ersten Abschluss verkürzten
die Minister: Statt wie bisher in neun Semestern können Studierende im neuen System bereits nach sechs Semestern den
Bachelor-Abschluss erlangen. Bis zum Master dauert es weitere vier Semester. Bisher wurden laut einer Statistik der
Hochschulrektorenkonferenz 76 Prozent der Studiengänge umgestellt. In der Wirtschaft steigt die Akzeptanz für
die Absolventen der neuen Studiengänge nur langsam. (bdt)
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