Personalauswahl
Vor allem große Unternehmen suchen ihre neuen Mitarbeiter oft mithilfe von Assessment-Centern aus. Praktisch und
effizient – sofern die Planung stimmt.
Castingshows sind populär wie nie zuvor. Die Halbwertszeit der Gewinner jedoch ist meist nur kurz, wohingegen
Assessment-Center (abgeleitet vom englischen Verb "to assess": beurteilen) den Ruf genießen, zuverlässige
Prognosen über die Eignung von Bewerbern abgeben zu können, die sich in einem Unternehmen um eine Stelle
bemühen. Ein Assessment-Center, kurz AC genannt, ist ein Personalauswahlverfahren, bei dem eine Art Jury die
Leistung der Bewerber beobachtet, beschreibt und bewertet. Die gestellten Aufgaben sollen die tatsächliche
Arbeitspraxis simulieren – möglichst über einen längeren Zeitraum hinweg. Es wird zwischen
Auswahl- und Entwicklungs-AC unterschieden. Ersteres testet firmenexterne Personen, beim Entwicklungs-AC – gern
bei der Besetzung von Führungspositionen angewandt – greifen die Personalverantwortlichen auf den bestehenden
Mitarbeiterpool zurück. Ziel ist es, mithilfe aussagekräftiger Simulationsübungen den richtigen
Kandidaten auszuwählen und somit teure Fehlbesetzungen zu vermeiden. Die Organisation eines Assessment-Centers
übernimmt entweder die Personalabteilung oder aber ein externer Dienstleister.
Der Ansatz, Personal auf diese Weise auszuwählen, ist nicht neu. Die Anfänge liegen in der Offiziersausbildung
der deutschen Reichswehr. Später überlebte die Idee aus dieser Zeit in anderen Ländern, vor allem in den
USA. Zu Beginn der 1960er-Jahre kamen Assessment-Center wieder zurück nach Deutschland – und wurden immer
beliebter.
Der Hamburger Arbeitskreis Assessment-Center e. V. hat 2008 herausgefunden, dass inzwischen drei von vier Firmen in
Deutschland ihre Mitarbeiter über ein AC auswählen. Befragt nach ihren Auswahlprozessen wurden bundesweit
insgesamt 233 Betriebe aller Branchen und Größen. 70 der 100 größten Unternehmen wollen auf
Assessment-Center nicht mehr verzichten. Früher wurden Assessment-Center ausschließlich durchgeführt, um
Führungsposten zu besetzen, seit den 1990er-Jahren durchlaufen zunehmend auch Ausbildungsanwärter dieses Verfahren.
Die Übungstypen unterscheiden sich je nach Betrieb und Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle. "Klassiker sind
schriftliche Aufgaben, Einzel- und Gruppeninterviews, Wissenstests sowie Rollenspiele", sagt Dirk Möller,
selbstständiger Karriereberater. Für den Hamburger hat ein AC gegenüber dem klassischen Vorstellungsgespräch einen
entscheidenden Vorteil: "Assessment-Center dauern ein bis drei Tage – im Gegensatz zu einem Vorstellungsgespräch
kann man seine Persönlichkeit über diese lange Zeitspanne kaum verstellen." Das sieht die Tchibo GmbH ähnlich. Die
Azubis im kaufmännischen Bereich sucht und findet das Unternehmen seit Jahren über ACs. "Unsere Assessment-Center
dauern einen Tag", sagt Helga Dinkels, die bei Tchibo den Ausbildungsbereich betreut. "Der ausschlaggebende Punkt ist
die bessere Vergleichbarkeit zwischen den Teilnehmern. Ein einwandfreies Zeugnis macht schließlich noch keinen guten
Azubi aus."
Doch was sich für die einen durch Treffsicherheit und Vergleichbarkeit auszeichnet, kritisieren andere als Spielwiese
der Laiendiagnostik, auf der praxisfremde Rollenspiele durchgeführt werden, die keinerlei Aufschluss über geforderte
Kompetenzen geben. "Gruppendynamische Spiele nach dem Prinzip 'Wir sitzen jetzt alle auf einer Insel' haben", so Dirk
Möller, "meist nichts mit der beruflichen Realität zu tun."
Wichtig ist, dass Assessment-Center von Profis geplant und von geschulten Beobachtern durchgeführt werden, damit sich
Aufwand und Kosten lohnen. "Ein ausgebildeter Beobachter erkennt zum Beispiel, dass nicht der Lauteste immer auch der
Beste ist", sagt John Schultze von der HR-Excellent GmbH. Der Hamburger Dienstleister ist auf Personalmanagement
spezialisiert. HR-Excellent vermittelt Partner, die professionelle Personalauswahlverfahren anbieten, neuerdings auch
Online-ACs. "Online-Assessment-Center sind besonders bei sehr großen Firmen wie zum Beispiel Siemens beliebt, die
Tausende von Bewerbungen bekommen", so Schultze. "Online-Übungen sind ein guter erster Filter."
Werner Sarges, Diplom-Psychologe und Leiter des Instituts für Management-Diagnostik, ist der Ansicht, Assessment-Center
seien für so gut wie jedes Unternehmen sinnvoll: "Personaler lassen sich dabei nicht nur von Verhaltensweisen erzählen,
sondern sich diese auch zeigen." In der Praxis allerdings griffen viele ACs noch zu kurz. Wichtige Bereiche wie
detaillierte Fragen nach der Motivation fehlten oft ganz. "Am wichtigsten ist die Aufgabenvielfalt. Sich nur an einen
Aufgabentyp zu halten, ist, als würde der Arzt nur den Blutdruck messen und alles andere außer Acht lassen."
Juliane Kmieciak